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Aus dem Archiv

von Kerstin Schmidt

Brigitte Reimann: "Das Mädchen auf der Lotosblume."

Wer Brigitte Reimann und ihre lebenshungrige Kompromisslosigkeit liebt, für den ist jeder bisher unveröffentlichte Text ein Schatz, ein weiteres Mosaik-Steinchen, um das Bild von ihr zu vervollständigen. Denn ihr Anspruch war hoch, ihr Leben aber leider viel zu kurz. Die Liste der Veröffentlichungen ist mehr als überschaubar.

Vor kurzem entdeckte die Schwester der Autorin bei einem Umzug zwei Typoskripte aus den Fünfziger Jahren und übergab sie dem Brigitte-Reimann-Archiv in Neubrandenburg. Dieses kümmerte sich um die Herausgabe der beiden Prosa-Fragmente. Außerdem recherchierte man neben der Entstehungsgeschichte auch die Gründe für die damalige Nichtveröffentlichung. Das so entstandene Buch ist - nicht zuletzt wegen des umfangreichen Anhangs - also eher etwas für literaturwissenschaftlich Interessierte. Wer ein Problem mit unvollendeten Geschichten hat, sollte lieber die Finger davon lassen.

"Joe und das Mädchen auf der Lotosblume" - Kleiner Roman

Die 23jährige Autorin beschreibt die junge Malerin Maria, die ihre Ansprüche sehr hoch gesteckt hat, die sucht, grübelt und diskutiert. Nervös und ausgehöhlt verlässt sie Hals über Kopf ihr Atelier und quartiert sich in einem abgelegenen Künstlerheim ein. Dort begegnen ihr Menschen, an denen sie sich heftig reibt. Allein dem Schriftsteller Joe gewährt sie tiefere Einblicke in das Durcheinander, das in ihr herrscht... Sehr eindrucksvolle Charakterstudien, beinahe schmerzhafte Gefühlsbeschreibungen - Heldin und Schriftstellerin noch berührend unausgegoren.

"Ich erinnere mich noch, wie ich lachen musste, als ich an einem Spiegel vorbeikam: ich sah aus wie ein Flaschenteufel in grünen Cordhosen und giftgrünem Pullover; ich trage so gern starke Farben, und ich behing mir damals noch Ohren und Handgelenke mit klirrendem, barbarischem Schmuck, obwohl meine Freunde das geschmacklos fanden - oder vielleicht gerade deshalb. Aber jetzt hab ich mich unter Joes veredelndem Einfluß schon gewandelt ..."

"Wenn die Stunde ist zu sprechen" - Erzählung

Brigitte Reimann war gerade neunzehn, als sie von einem "Wettbewerb um die schönste Liebesgeschichte" erfuhr. Leider hatte sie den Aufruf zu spät erhalten und so wandte sie sich an Anna Seghers und bat um Aufschub. Diese versprach der jungen Autorin, die Erzählung gern auch außerhalb des Wettbewerbs zu lesen und ermutigte sie zu einer wahrhaften Erzählweise ohne Sonntagsdeutsch. Brigitte Reimann machte sich daraufhin sofort an die Arbeit und schickte zwei Monate später die ersten beiden Kapitel einer Erzählung, die sie "Die Denunziantin" nannte, an den Aufbau-Verlag. (Das Exposé befindet sich im Anhang des Buches.) Vier Jahre feilte sie an der Erzählung - die letzte erhaltene Fassung ist im Sommer 1956 entstanden und im vorliegenden Buch abgedruckt.

"An einem naßkalten Dezembermorgen betritt Eva Hennig zum erstenmal die neue Klasse. Wie sie unter der Tür steht, nicht zu neugierig, nicht zu gleichmütig sich umblickend, ist sie so selbstverständlich schon Mittelpunkt, daß die anderen spüren: sie wird es bleiben, heute und all die Wochen bis zum Abitur..."

Mehr? —  Brigitte-Reimann-Literaturhaus Neubrandenburg

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