Startseite  Aktuelle
     Empfehlung
 Archivliste

Aus dem Archiv

von Lilo Herz

Elia Barceló: "Das Rätsel der Masken"

Ein junger französischer Literaturkitiker beschließt, die Biographie eines berühmten argentinischen Schriftstellers zu schreiben, der in Paris gelebt hatte und 1991 seinem Leben gewaltsam ein Ende setzte. Um möglichst viel über ihn zu erfahren, beginnt er Nachforschungen, die bald schon zu einem Verwirrspiel werden, weil sich dabei ein völlig anderes Bild als bisher bekannt über den prominenten Mann ergibt.

Die Autorin bietet eine Art "Literarisches Kammerspiel", in dem nur sehr wenige Personen agieren. Über wichtige Dinge informiert sie in Rückblenden den Leser, der dann gespannt ist, wie die einzelnen Betroffenen – denen diese Ereignisse noch nicht bekannt sind – darauf reagieren werden. Diese ständige innere Spannung macht auch den Reiz des Werkes aus, denn angesichts der Enthüllungen über den Protagonisten, der sich als rechtes Scheusal erweist, bleibt man sonst oft fassungslos.

Man kann noch nachvollziehen, warum er seine Homosexualität erst sehr spät öffentlich eingestand. In den 50er/60er Jahren war es einen Prominenten nicht so leicht, sich zu "outen" wie heute. Unbegreiflich bleibt aber die bedingungslose Liebe seiner ersten Ehefrau Amelia, mit der er ein diabolisches Spiel trieb und von der er sich scheiden ließ, um eine jüngere zu heiraten.

Anscheinend wendet die Autorin im "Rätsel der Masken" die psychologischen Prinzipien für das literarische Schaffen an, die Stefan Zweig proklamierte: "Nur am Schauer vor neuer Gewalt wächst unser Gefühl. Immer ist darum das Außerordentliche das Maß aller Größe." Wie soll man sich sonst erklären, dass der Mann, den Amelia über all die Jahre geliebt hatte, sie nur bestrafen wollte, sie demütigte, ihr geistiges Eigentum stahl und zum Monster mutierte?!

Und am Schluss kommt wieder eine psychologische Maxime Stefan Zweigs zum Tragen: "Nur das Seltene erweitert unseren Sinn."

In der Literatur wird bis zum heutigen Tage selten das Liebesverhältnis eines jungen Mannes zu einer zwanzig Jahre älteren Frau dargestellt. Elia Barceló auf anrührende und glaubhafte Weise, wie sich der Biograph, der von Amelia eigentlich nur Informationen über ihren berühmten Ex-Mann wollte, unsterblich in sie verliebt, von ihr zu einem Essen im teuersten Restaurant von Paris – im Eiffel-Turm – mit anschließendem Hotelbesuch eingeladen wird und sie für all die ihr angetane Schmach entschädigt.

Noch ein Tipp: Wer wissen will, welche Restaurants bzw. Bistros bei den Künstlern und Literaten in Paris der 50er/60er Jahre angesagt waren, wo sie sich trafen und stundenlang debattierten, wird hier voll auf seine Kosten kommen.

 Startseite  Aktuelle
     Empfehlung
 Archivliste  nach oben