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von Georg Lacher-Remy

Michel Houellebecq: "Die Möglichkeit einer Insel"

Bei vielen Lesern führt der Name Michel Houellebecq sofort zur Assoziation "Schweinskram" - und es stimmt natürlich, seine Romane enthalten sehr explizite Passagen. Ein viel hervorstechenderes Merkmal seiner Prosa ist für mich aber etwas Anderes: der Kontrast zwischen der bestechenden Klarheit und Kälte seiner Logik einerseits und der extremen Leidenschaftlichkeit seiner Suche nach Liebe andererseits.

"Die Möglichkeit einer Insel" ist eine Quasi-Fortsetzung seines Erfolgsromans "Elementarteilchen", dessen Verfilmung Anfang des Jahres in unseren Kinos erfolgreich war. Die handelnden Personen sind andere, aber die Themen und Motive sind die gleichen. Wieder steht die Biografie eines an der Liebe verzweifelnden Menschen im Vordergrund, diesmal eines alternden Komödianten, der sich rettungslos in eine junge Frau verliebt und an dieser Liebe zerbricht. Und wieder korrespondiert diese private Geschichte mit einer sozial-politischen Ebene, in der Houellebecq die Lieblosigkeit und Grausamkeit unseres gesellschaftlichen Miteinanders anprangert und genüßlich die einzig mögliche Strafe für das Menschengeschlecht ausmalt: seine endgültige Ausrottung. Was in "Elementarteilchen" nur am Schluss kurz angedeutet wird, ist hier breiter ausgeführt: wie die Menschheit in Folge von Naturkatastrophen und Kriegen auf ein Minimum reduziert wird und geklonte "Neo-Menschen" die Macht übernehmen, die weder soziale Mißstände noch individuelle Gier kennen.

Man darf Michel Houellebecq nicht missverstehen. Seine Romane sind keine Plädoyers. Sie analysieren bestehende Probleme, aber sie bieten keine Lösungsmöglichkeiten an - was im Roman als Ausweg erscheint, wird nicht propagiert, sondern selbst wieder hinterfragt. Es geht Houellebecq nicht darum, Alternativen zu präsentieren, sondern darum, Probleme aufzuzeigen - und das tut er so elegant und scharfsinnnig wie kaum ein anderer. Und so komisch wie kaum ein anderer. Letzten Endes präsentiert er sich damit als genau der scheiternde Komödiant wie die Hauptfigur in seinem Buch. Und ich wette, er weiß das auch.

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