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von Lena Warning

János Székely: "Verlockung"

Schon im Grundschulalter war ich eine begeisterte Filmguckerin (Dorfkino und später auch Fernsehen). Allem, was Film irgendwie tangiert hat, galt mein Interesse. Mitte der 60er Jahre war ich schwer von Kati Székely beeindruckt. Deshalb hat der jetzt in den Feuilletons auftachende János Székely meine Aufmerksamkeit erweckt. Der in diesem Jahr wieder aufgelegte und sozusagen entdeckte Roman von Katis Vater hat mich neugierig gemacht.

Ungarn zwischen den beiden Weltkriegen - die Zeit des Horthy-Regimes. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt Bela auf dem Dorf bei einer Alten, die in ihrem ersten Leben ihren Körper verkauft hatte, danach "fromm" wurde und die Kinder lediger Mütter gegen Entgelt pflegt, oder treffender gesagt: verwahrt. Schon als Baby bekommt der Junge nicht das, was eigentlich ihm zusteht. Seine Mutter muss sich notgedrungen als Amme in Budapest verdingen und die Kinder Wohlsituierter trinken seine Milch. Unter dem Dach der Pflegetante Rozika muss er sich jeden Happen Essen erarbeiten, auf Stroh schlafen und sich den so heiß ersehnten Schulunterricht mit List erkämpfen.

Und dann die Metropole - Budapest. Endlich bei seiner Mutter. Bleibe in der elendsten Ecke von Pest und Liftboy in einem Nobelhotel in Buda, das von der morbiden Eleganz der Reichen und Schönen geprägt wird. Eine Welt, die für Bela unerreichbar ist. Aber er will dazu gehören - auch um der vermeintlichen Liebe willen - und zerbricht fast daran.

János Székelys Roman ist ein opulentes Werk voller markanter Gestalten und betroffen machender Beschreibungen der sozialen Verhältnisse der Schicht, die jeden Filler zusammenkratzt und immer doch nur zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel hat. Ein großer Stoff!

János Székely

Verlockung

Btb, 816 Seiten, Taschenbuch, EUR 12,-

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